Ein kurzer Zwischenkommentar zu den 15 Tagen mit ein paar Beispielen

Wir sind mittlerweile bei Tag 8 der 15 Aktionstage der unabhängigen Plattform #istnoetig angekommen.

Heute, am 8. März, dem Internationalen Frauentag (der vor etwa 100 Jahren gegründet wurde, als die Frauen um ihr Wahlrecht kämpfen mussten), hat die Aktionsgruppe der feministischen und queeren Positionen mit Aiko Kurosaki, der Künstlerin und Obfrau von „One Billion Rising Austria“ – der künstlerischen Kampagne für ein Ende der Gewalt an Frauen* und Mädchen* – und dem Feministischen Street Art Kollektiv Wien, ihre Aktion mit der Kundgebung am Praterstern verknüpft und den achten offenen Brief an die Stadtregierung Wiens verfasst.

Ihr Brief beginnt mit dem Zitat Mahatma Gandhis: „Armut ist die schlimmste Form der Gewalt!“ und verweist auf die Versäumnisse der Gesellschaft und Politik, wahre Gleichheit praktisch umzusetzen. Das heißt, die immer noch gesellschaftsorganisatorische und ökonomische schlechtere Stellung der Frauen und die immer noch systemimmanente Missachtung des Menschen als freies selbstbestimmtes Wesen ernsthaft und nachhaltig aus der Gesellschaft zu eliminieren und – angesichts sich wieder ausbreitender Ungleichheit und Prekarisierung immer größerer Bevölkerungsschichten – ebenso ernsthafte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

„Kunst und Kultur werden in großem Ausmaß in unbezahlter Arbeit geschaffen.“

… beginnt der siebente Brief unter dem Titel „Prekarisierung entgegentreten #istnoetig“, von der IG Bildende Kunst verfasst, und konstatiert darin ebenso, dass viele Kunst- und Kulturschaffende der freien und autonomen Szene unter der Armutsgrenze leben.

Die Protagonist_innen der Kunst- und Kulturszene, die kreativen Kräfte also, die das Gesicht und Klima der Stadt entscheidend bilden, die auch immer wieder gerne zur schlecht- oder unbezahlten Entwicklungsarbeit an Problemen und ganzer Stadtteile herangezogen werden, müssen weiter ohne soziale oder ökonomische Perspektive agieren und fordern „… eine adäquate Absicherung, die auf die Realität des prekären Kunst- und Kulturschaffens abgestimmt ist.“

Es lässt sich schon jetzt herauslesen, dass der sich durch alle Forderungsbriefe ziehende gemeinsame Nenner, neben der Befürchtung des Freiheitsverlusts, die leider wieder zunehmende Ungleichheit und Ungerechtigkeit und vor allem die massive ökonomische Bedrohung der Gesellschaft durch die nach wie vor kaum gebremsten, beschönigend als „Neoliberalismus“ bezeichneten, sozial unverträglichen Finanz- und Politstrategien ist, welche die Kunst- und Kulturszene, die schon immer finanziell am unteren Rand der Ökonomie angesiedelt war, auf allen Ebenen, besonders hart trifft.

Bevorstehend

In diesem Kontext lesen sich auch die Ankündigungen der noch folgenden Tage.

So lädt beispielsweise Choreograph und Performer Daniel Aschwanden am Tag 10, am 10.03., zur Arbeitsdemonstration für Gleichberechtigung älterer Künstler_innen auf den Friedrich-Schmidt-Platz 5, von 10–17 Uhr, zu einer 7-Stunden-Performance auf dem Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen vor dem Kulturamt, in Erinnerung an Kazuo Ohno, der auch im hohen Alter als Künstler öffentlich agierte, und als Hommage an Steve Paxton, der sich jahrelang im Rahmen seiner improvisatorischen Körper- und Raum-Investigationen mit dem Material der Goldberg-Variationen beschäftigte. Ein Zeichen für die Forderung nach Gleichberechtigung für ältere KünstlerInnen im Rahmen einer umfassenden Neuordnung der Förderstrukturen, nachdem klar geworden ist, dass sowohl seitens der Kulturpolitik wie auch seitens des „Marktes“ , eine Diskriminierung älterer KünstlerInnen stattfindet.

Am 12.03., am Tag 12 also, findet zum zwölften Brief eine Aktion zum Thema „konsumfreien öffentlichen Raum schaffen und erhalten“ von Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf, mit einer fotografischen Inszenierung an öffentlichen Orten im 12. Wiener Gemeindebezirk statt. Die Aktion versteht sich als Kommentar zur aktuellen Entwicklung, Stadtraum sukzessive als produktiven Faktor im Rahmen eventorientierter Standortpolitik und als verkaufbaren Raum für Produktpräsentationen zu nutzen. Effekt der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums ist die Verdrängung jener Personengruppen, die geringere finanzielle Ressourcen haben oder Straßen und Plätze als Alternative zu den konsumorientierten Räumen im „Privat“-Besitz nutzen wollen oder müssen.

Und weiter …

Wenn auch Wien gerne so tut, als ob es eine Insel in einem kontextfreien Ozean wäre, so sei zum wiederholten Mal gesagt, dass gerade eine Stadt wie Wien, die beharrlich daran arbeitet, wieder zu einer echten Weltstadt zu werden, noch dazu mit den Worten Kunst und Kultur auf ihrem Banner, weder ihre eigene Internationalität und Transkulturalität verleugnen darf, wie im neunten Brief und der Aktion zur transkulturellen Öffnung in der Galerie Schleifmühlgasse 12–14 thematisiert, noch internationales Agieren und Auftreten in den Europäischen Raum wie der globalen Öffentlichkeit vernachlässigen kann.

Diese leider immer noch vorherrschende „kleindenkerische“ Tendenz im politischen Agieren der Stadt hat nicht nur im Kunstbereich, wo es besonders augenfällig ist und allen internationalen Akteur_innen der Stadt vielfache Probleme bereitet hat, sondern im gesamten Bewusstsein ihre Effekte.

Mit „Schrebergartenmentalität“ kann dem globalen Sturm nicht begegnet werden.

Wie wir trocken feststellen können, sind die, sich weltweit verdichtenden, menschenverachtenden Strategien der Spielraumverengung und ihre handfesten Ergebnisse, wie etwa Kriegsflüchtlinge – Thema des 15. und letzten Aktionstages – schon längst in der Stadt angekommen und eingesickert.

Die globale Vergewaltigung von Menschen und Ressourcen durch eine kleine Gruppe asozialer und psychopathologischer Machtkartelle ist Ursprung fast aller gegenwärtigen Krisen und massiven Überlebensprobleme der Menschheit und die globale Herausforderung aller demokratischer Regierungen und politisch bewusst agierender Menschen. Auch in Wien.

Trotzdem verharren die politischen Vertreter_innen der Menschen im Würgegriff der international vernetzten Macht- und Kapitalwirtschafts-Oligarchien, mit ihrer ebenso haltlosen wie rückständigen Ausbeutungslogik, und riskieren lieber die Machtabgabe an rechtspopulistische und faschistische Polithassadeur_innen, als dieser ökonomischen Geiselnahme entschieden entgegenzutreten.

Wien behauptet, anders zu sein. Wir warten also gespannt auf die Reaktionen der Wiener Stadtregierung und ihre Taten, nach denen sie gemessen werden wird.

In diesem Sinne freuen wir uns mit der IG-Bildende Kunst auf die offene Diskussion mit dem Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, am 16.3.2016, im TAG-Theater in Wien.

Thomas Jelinek

Informationen zu allen und weiteren Aktionen, sowie den 15 Briefen finden sich unter

https://istnoetig.noblogs.org/15-forderungen/

 

Rückfragen unter:

#istnoetig
Romana Hagyo und Thomas Jelinek (SprecherInnen)
0681 / 20519097

 
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Offenlegung: Medieninhaberin: Maria Novak, Wien. Grundlegende Richtung: Information über die Plattform #istnoetig und die 15 Forderungen an die (Kultur-)Politik